Institut für Hochschulrecht

Direktor René Schneider

Institute for University Law, est. 1993
Schneider  Institute  Breul 16  48143 Münster  Germany


Die AStA-Jäger

Von René Schneider
in: akademische blätter,
4/1998, S. 108-112

1993 - 1998
Jubiläum: 5 Jahre Institut für Hochschulrecht

Bitte stellen Sie sich vor, Sie sitzen am Frühstückstisch und delektieren sich, sagen wir einmal, an Schinkenbrötchen und Bohnenkaffee. Und während Sie sich diese Köstlichkeiten noch munden lassen, wird Ihnen auch schon die Post hereingetragen: Höfliche Dankschreiben, freundliche Glückwünsche zum fünften Jahrestag Ihres Unternehmens, liebenswürdige Zuwendungen aus Politik und Wirtschaft, und - ein Brief vom AStA. Der hetzt Ihnen gerade 16 Rechtsanwälte aus der ganzen Bundesrepublik auf den Hals und verlangt, daß Sie in Zukunft alles mögliche unterlassen. Außerdem sollen Sie Ihr Institut für Hochschulrecht schließen, die Homepage im Internet ausschalten und für den bösen Brief der 16 Rechtsanwälte zweieinhalbtausend Mark bezahlen. - Ist das nicht unappetitlich?


1. Viel Feind, viel Ehr!

Keine Angst: Das ist der ganz normale Krieg[1] und die akademische Front verläuft nun einmal seit 5 Jahren quer über meinen Schreibtisch. - Warum?

Angefangen hatte alles relativ harmlos: mit dem Semesterticket. Das Semesterticket ist eine Erfindung aus Darmstadt und wurde durch einen Vertrag vom 31. Mai 1991 zwischen der HEAG-Verkehrs-GmbH und der Studentenschaft der Fachhochschule Darmstadt für das Wintersemester 1991/92 und das Sommersemester 1992 eingeführt.[2] In Nordrhein- Westfalen wurde das Semesterticket durch einen Vertrag vom 31. Januar 1992 zwischen der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr GmbH (VRR) und der Studentenschaft der Universität Dortmund für das Sommersemester 1992 vereinbart.[3]

Das Semesterticket ist ein Zeitfahrausweis des Ausbildungsverkehrs gemäß § 45a des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), dessen Preis auf der Basis von Monatskarten berechnet ist[4] und kostete damals im Bereich des VRR 84,00 DM nebst 1,00 DM "als Ausgleich sozialer Härtefälle". Zur Vergleichung: Gegenwärtig verhandelt der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg mit dem AStA in Berlin über einen Preis zwischen 200 und 305 DM/Semester.[5] Zusätzlich hat der Unternehmer gegen das Land einen gesetzlichen Anspruch auf Ausgleichszahlungen gemäß § 45a PBefG. Das Semesterticket ist für die ÖPNV-Unternehmer also eine äußerst lukrative Angelegenheit. Und weil der ÖPNV in aller Regel von den Städten und Gemeinden betrieben wird, freut man sich dort natürlich, wenn der ewig defizitäre ÖPNV nicht allein aus den kommunalen Haushalten saniert werden muß.

Wenn man aber - aus welchen Gründen auch immer - überhaupt keinen Fahrschein braucht, weil man lieber zu Fuß geht oder mit dem Fahrrad fährt oder - soviel Freiheit muß sein: - mit dem eigenen Automobil zur Universität kutschiert, dann ist jede müde Mark, mit der der ÖPNV oder die Fahrscheine der Kommilitonen finanziert werden, eine Mark zuviel. Also ist es gut verständlich, daß die erste Klage wegen des aufgezwungenen - überflüssigen - Tickets nicht lange auf sich warten ließ. Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hatte urspünglich auch eine sehr vernünftige Meinung:

"Vorab soll lediglich informativ darauf hingewiesen werden, daß auch nach Ansicht der Kammer rechtliche Bedenken gegen die Einführung des Semestertickets bestehen:

Die Aufgaben der Antragsgegnerin sind in § 41 Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes - HRG - und § 71 Abs. 2 WissHG NW abschließend aufgeführt. Hinsichtlich dieser Aufgabenzuweisungen dürfte es entscheidungsrelevant allenfalls auf den Aufgabenbereich gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 3 WissHG NW ankommen, wonach der Antragsgegnerin die Aufgabe zukommt, die fachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen. Diesem Aufgabenbereich hat auch die Antragsgegnerin zum Sommersemester 1992 die Einführung eines Semestertickets zugeordnet, indem sie in den Vertrag zwischen ihr und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr GmbH (VRR) in der Präambel formuliert hat "in dem Bestreben, die sozialen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden wahrzunehmen ...". - Insoweit ist zwar festzustellen, daß der Beitrag in Höhe von 85,00 DM für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Dauer eines Semesters wirtschaftlich betrachtet äußerst günstig erscheint. Die Tatsache wirtschaftlicher Vorteile für die Studentenschaft der Universität Dortmund allein führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, die Einführung eines Semestertickets dem Aufgabenbereich der Studentenschaft zuzuordnen.

Die Aufgaben der Antragsgegnerin sind auf studentische Angelegenheiten begrenzt, also auf Maßnahmen, die unmittelbar die Hochschule oder die Studenten in ihrer Eigenschaft als Studenten betreffen. Diese Auslegung hat letztlich für politische Äußerungen durch die verfaßte Studentenschaft zu einer allgemeinen Verneinung eines allgemeinpolitischen Mandats und deren (indirekter) Normierung in den §§ 41 Abs. 1 HRG, 71 Abs. 2 Nr. 2 WissHG geführt. Dementsprechend spricht alles dafür, die Wahrnehmung der sozialen und wirtschaftlichen Belange im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 3 WissHG ebenfalls auf studentenspezifische Interessen zu beschränken, zu denen die nahezu uneingeschränkte zwangsweise Einführung eines Semestertickets nicht gehören dürfte, weil das Interesse an einer ermäßigten Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln keinen unmittelbaren Bezug zur Hochschule oder zum Studium und seinem Erfolg hat. Einen solchen Zusammenhang hat die Antragsgegnerin in der Präambel des Vertrages mit dem VRR zum Sommersemester 1992 herzustellen versucht, indem sie dort als weitere Motive

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für den Abschluß des Vertrages die Anbindung der Universität Dortmund an den öffentlichen Personennahverkehr, die Verbesserung der Mobilität der Studierenden der Universität Dortmund, die Entlastung der Straßen im Umfeld der Universität Dortmund und die Schonung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Umwelt aufgenommen hat. Dabei handelt es sich jedoch offenkundig um allgemein politische Zielsetzungen, die unter dem oben bereits angesprochenen Aspekt eines fehlenden allgemeinpolitischen Mandats die Einführung des Semestertickets gem. § 71 Abs. 2 WissHG nicht tragen können."[6]

Leider war das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anderer Meinung[7] und seitdem gingen Semesterticket-Prozesse vor nordrhein-westfälischen Gerichten für die Kläger verloren. Anders in Schleswig-Holstein: Die Kläger gewannen in erster und zweiter Instanz.[8] Inzwischen sind die verlorenen Semesterticket-Prozesse aus Nordrhein-Westfalen beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) angekommen, das im 2. oder 3. Quartal 1999 ein endgültiges Urteil fällen wird.[9]

Jedenfalls berichtete die Presse im Sommer 1992 und 1993 ausführlich über den juristischen Streit um das Semesterticket und so trafen sich im Sommersemester 1993 drei der entschiedensten Gegner dieses "Zwangsfahrscheins" zu einer folgenreichen Konferenz in Wuppertal, um den Kampf gegen das Semesterticket zu "institutionalisieren": Sie gründeten das Institut für Hochschulrecht - Zentrum der Semesterticket-Forschung - mit Sitz in Münster, das seit dem 1. Oktober 1993 vom Verfasser dieser Zeilen geleitet wird.

Seit der ersten Klage gegen das Semesterticket in Nordrhein- Westfalen sind mehr als 5 Jahre oder 10 Semester vergangen. Das ist ein trauriger Beweis dafür, wie wichtig das Institut für Hochschulrecht geworden ist, denn der einzelne Student alleine hat keine Chance, sich innerhalb einer normalen Studiendauer wirksam gegen "ökologisch sinnvolle" Angriffe auf seine Grundrechte zu wehren! So bleiben die meisten Klagen ungeklagt und jeder meint, es wäre alles in Ordnung an den Universitäten.


2. Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben,
wenn es dem bösen AStA nicht gefällt.

Nun soll dieser Bericht aber keine Geschichte über das Semesterticket werden, das inzwischen einige hundert Seiten Gerichtsakten füllt. Dazu wird der Verfasser erst nach dem Revisionsverfahren eine ausführliche Dokumentation veröffentlichen.

Hier soll das Allgemeine Politische Mandat im Vordergrund stehen, also die Wahrnehmung allgemeiner politischer oder "gesamtgesellschaftlicher" Aufgaben oder Kompetenzen, welche der Studentenschaft, gesetzlich vertreten durch den AStA, verboten ist. Und weil die Studentenschaften als öffentlichrechtliche Körperschaften mit dem Recht der Selbstverwaltung (einschließlich Beitragshoheit) ausgestattet sind, ist jede Kompetenzüberschreitung durch den AStA zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Artikel 2 Abs. 1 GG, gegen die jeder Student sich erfolgreich wehren kann.

So kam es seit 1994 zu einer "Klagewelle"[10] gegen den AStA in Münster, Bonn, Wuppertal, Gießen, Marburg, Potsdam, Bremen, Berlin und Bielefeld, die zu Beginn des Wintersemesters 1998/99 in Essen fortgesetzt wird, wenn die Studenten aus den Sommerferien gut erholt und gut gelaunt zurückgekehrt sind, denn wer prozessiert schon gerne vor leeren Zuschauerbänken und auf welche Nachahmer sollten die Funken überspringen, wenn der Campus leer steht und das geneigte Publikum sich z. B. auf der Sonneninsel Kuba von den Strapazen der letzten Klausuren erholt?

Das Thema - die "Klagewelle" - ist hochaktuell. Sogar der berühmte Autor der rabenschwarzen Satire "Der Campus" - wer erinnert sich nicht an das Buch (1995) und den Film (1998) - Dietrich Schwanitz, hat den Faden aufgegriffen und in einem Motivbündel seines neuen Campus-Romans "Der Zirkel" verflochten.[11] Auf Seite 41 des Romans erklärt die AStA-Vorsitzende Hannah ihrem Freund Daniel die Problematik so schön und so leicht verständlich, daß ich diese Zeilen zitiere:

»Also«, nahm Hannah das Wort, »du hast von dieser Prozeßflut gegen das Allgemeine Politische Mandat der Studentenschaft gehört?« Daniel wühlte in seinem Hirn. Da war doch was. »Oh ja, hast du nicht gestern versucht, mir das Problem zu erklären? ... Also, die Studentenschaft ist eine öffentlich-rechtliche Zwangskörperschaft, ... bei der die Mitgliedschaft Pflicht ist. Sehe ich das richtig?«

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Hannah nickte. »Und laut Gesetz darf der AStA die Zwangsbeiträge der Studenten nur für unmittelbar hochschulpolitische oder kulturelle Zwecke verbraten. Richtig?«

»Eben nicht. Jaja, das steht im Gesetz, aber das ist eben nicht richtig, das ist ein Scheißgesetz. Und es wurde bis jetzt auch nie restriktiv angewandt. Machen wir uns doch nichts vor«, Hannah fuchtelte mit Messer und Gabel in der Luft herum, »die Studenten wurden doch immer so gesehen, wie Mannheim die Intellektuellen verstanden hat: Ohne gesellschaftlichen Ort nahmen sie nicht ihre eigenen partikularen, sondern die Interessen der Gesellschaft wahr. Sie waren doch immer auf Seiten der Freiheit und des Fortschritts. Na ja, vielleicht nicht die NS-Studentenschaft von 1933, aber eben die Bürgerrechtler der USA, die 68er, die Friedensbewegung, die Anti-Atomkraftbewegung, was du willst. Und jetzt wollen die uns zurückstutzen auf eine Lobby wie den Verband der Verpackungsindustrie. Das ist doch unmöglich.« »Wer sind "die"?«

»Irgendein Kartell aus Anwälten, geheimen Geldgebern und RCDS-Studenten. In Hessen haben zwei Studenten dagegen geklagt, daß ihre Zwangsbeiträge für politische Zwecke verwendet werden, die sie ablehnen. Zum Beispiel für die Verbreitung von Infobroschüren gegen Castor-Transporte. Oder Unterstützung der PKK. Und uns droht nun ein gewisser RCDS-Student namens Heiko Uphoff mit einem Prozeß, weil wir zu einem Fest der Völkerfreundschaft nach Kuba gefahren sind.«

»Und wenn ihr verliert?« »Dann zwiebeln die uns ein Ordnungsgeld von ein paar zigtausend Mark auf.« »Und wieviel verwaltest du insgesamt?« Hannah beugte sich weit über den Tisch und zwang Daniel dazu, sich ebenfalls hinüberzulehnen, bis ihre vollen Lippen fast sein Ohr berührten. »Eine Million«, flüsterte sie. Daniel ließ sich zurückfallen. »Mein lieber Herr Gesangverein! Eine Million! Was macht ihr mit der ganzen Knete? Einen Haufen Extremisten unterstützen?«

»Na ja, du kennst ja die AStA-Koalitionen. Multi-kulti, Frauen und Lesbierinnen, Schwule, Grüne und ein Haufen Altlinke und neue PDS-Anhänger. Das Komische ist nun, daß Präsident Schacht uns im Kampf um das Allgemeine Politische Mandat fallengelassen hat. Völlig rätselhaft. Er ist doch selbst ein alter Revoluzzer. Ohne 68 wäre er doch nie Präsident geworden. Aber jetzt zieht er den Schwanz ein. Wir stehen alleine.«

Schneider soll nicht abschreiben! Er könnte die Fälle, von denen "Hannah" erzählt, nämlich mit eigenen Worten wiedergeben. Nur nicht so schön. Aber zutreffend, denn sie stammen aus dem Institut für Hochschulrecht: Zum Beispiel die Geschichte mit dem Flug nach Kuba. Er beschäftigte das Verwaltungsgericht Gießen, den Hessischen Verwaltungsgerichtshof[12] und die Staatsanwaltschaft Gießen.[13] Der AStA hatte beim Studentenparlament der Justus-Liebig-Universität Gießen 2000 DM als Reisekostenzuschuß beantragt, damit die lokale DKP-Prominenz zu den Weltjugendfestspielen nach Kuba fliegen konnte. Dagegen wehrte sich ein Student vom RCDS, der absolut nicht einsehen wollte, daß er mit seinen "Studentengroschen" dem DKP-Kommilitonen neben dem Semesterticket auch noch ein Kuba-Ticket spendieren sollte. Wer finanziert dem RCDS die Sommerfrische? Fazit: Das Gericht verhängte ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 DM - das bis dahin höchste Ordnungsgeld der Neuzeit gegen eine Studentenschaft. Vertreten wurde der Gießener Student durch Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Milse aus Münster, der für seine hochschulrechtlichen Mandate die Einrichtungen des Instituts für Hochschulrecht nutzt. Dort wird daran gearbeitet, daß die Verursacher des Schadens (d.h. Ordnungsgeld, Prozeß- und Reisekosten) persönlich haftbar gemacht werden und den Schaden, den sie dem Vermögen der Studentenschaft zugefügt haben, auf Heller und Pfennig ersetzen müssen.

Der neueste Fall stammt aus Bremen. Dem AStA der Universität wurde gerichtlich verboten, das Allgemeine Politische Mandat wahrzunehmen.[14] Der Beschluß ist absolut mustergültig:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung für die Dauer der Mitgliedschaft des Antragstellers, längstens bis zur Entscheidung im Hauptverfahren untersagt,

  1. a) politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen zu verlautbaren, die nicht spezifisch und unmittelbar auf die Aufgaben der Hochschule oder auf die Interessen der Studenten bezogen sind;
    b) politische Bestrebungen, die die Begrenzungen der Nr. 1 a) dieser Anordnung nicht einhalten, durch Zahlungen einschließlich Kostenerstattungen und Ankauf von Erzeugnissen oder durch Zuwendungen geldwerter Leistungen, insbesondere Dienst- oder Sachleistungen an Personen - auch ASTA-Mitglieder - oder Organisationen zu unterstützen.
  2. Das Verbot nach Nr. 1.) gilt insbesondere für Verlautbarungen und Aktivitäten
    a) zur Energiepolitik einschließlich der "Castor"-Thematik,
    b) zur Politik der Inneren Sicherheit einschließlich der Thematik "Terrorismus" und "RAF",
    c) zur allgemeinen Arbeitsmarktpolitik einschließlich Lohnfortzahlung und Schwarzarbeit,
    d) zur allgemeinen Verkehrspolitik, z. B. zum Bau von Fernstraßen,
    e) zur Ausländerpolitik, soweit es nicht unmittelbar um Belange der Hochschulen oder von Hochschulangehörigen geht,
    f) zur Politik gegenüber der Türkei, zur Kurdenfrage, zur PKK und zu Newroz-Feiern.
  3. Die Verbote gem. Nr. 1) und Nr. 2) gelten auch für die von der Antragsgegnerin eingerichteten Arbeitskreise.
    Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die ausgesprochenen Verbote wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld angedroht, das zwischen DM 5,-- und DM 500.000,-- betragen kann. ...
    [15]

Solche Entscheidungen werden von den verurteilten Studentenschaften (AStA) üblicherweise als "Maulkorb" oder "Zensur" bezeichnet und folgerichtig startete der AStA in Bremen eine Kampagne unter dem Motto: "Wir nehmen den Maulkorb ab!" - In der "taz bremen" veröffentlichte der AStA Inserate mit kurzen (allgemeinpolitischen oder gesamtgesellschaftlichen) Äußerungen zu jedem einzelnen der verbotenen Punkte! Das feierte er dann auch noch in seiner Studentenzeitung: "Damit hat eine Studierendenvertretung das erste Mal in der jüngere Phase dieser Auseinandersetzung ein

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Maulkorburteil provokativ ignoriert und bewußt übertreten."[16] Für soviel Dreistigkeit verhängte das Verwaltungsgericht Bremen ein Super-Ordnungsgeld von 20.000,- DM[17] - und Rechtsanwalt Milse nahm die Gelegenheit wahr, beim Oberverwaltungsgericht anzuregen, der AStA-Vorsitzenden für weitere Verstöße auch Ordnungshaft anzudrohen.


3. "Burschen heraus!"

Mit dem Semesterticket hat die Geschichte angefangen. Das Ticket ist ein Teil der allgemeinen Verkehrspolitik und führte deshalb schnell zum Allgemeinen Politischen Mandat, durch dessen Wahrnehmung der AStA jedes Mitglied der Studentenschaft in seinem Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 Abs. 1 GG verletzt. Bei der Erforschung dieser rechts- und verfassungswidrigen Übergriffe bzw. bei der Verteidigung der Grundrechte gegen den AStA ist das Institut für Hochschulrecht inzwischen bundesweit führend. Mangels besserer Konzepte muß das strategische Ziel verfolgt werden, die verfaßte Studentenschaft als Zwangsverband abzuschaffen, was 1976 in Baden-Württemberg und 1977 in Bayern bereits geschehen ist.

Vor dem Hintergrund praktisch marginaler Wahlbeteiligungen hat der Kölner Molekularbiologe Benno Müller-Hill in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 13. August 1996 in der Sache zutreffend geschrieben: »Die Wahlbeteiligung der Kölner Studenten liegt seit Jahren unter fünf Prozent! Man hält das für normal und redet nicht darüber. Wissen das die Politiker, die den Universitäten "demokratische" Gremien aufgezwungen haben? Diese Art der studentischen Mitbestimmung schreit danach, abgeschafft zu werden, weil ihr jede Legitimation fehlt."[18]

Lesen wir dazu noch einmal Dietrich Schwanitz - diesmal nicht als Romancier sondern als Professor und Hochschulkritiker: "Bleiben die Studenten: Ihre Vertreter werden mit Wahlbeteiligungen in die Gremien gewählt, die einen Kongreß von militanten Phlegmatikern vor Scham erblassen lassen würden. Nur ihr unmittelbarer Klüngel nimmt wahr, was sie in den Gremien treiben. Um ihr Publikum zu vergrößern, neigen deshalb die Studentenvertreter zu spektakulären Protestaktionen und theatralischen Auftritten."[19]

Es gibt keinen Zweifel: Jeder intelligente und vernünftige Mensch fordert ein Ende der Studentenschaften bzw. der rechtsstaatlich unerträglichen Zustände im AStA. Vorzugsweise sollten die bestehenden Strukturen abgeschafft und durch freiwillige Interessenvertretungen ersetzt werden.

Aber es gibt auch andere Stimmen: Kaum hatte ich die inzwischen legendäre einstweilige Anordnung vom 6. September 1994 bekommen, nahm die damals noch oppositionelle Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Nordrhein-Westfalen Bezug auf den Fall und forderte in einem förmlichen Gesetzentwurf, die "Änderung des UG mit dem Ziel, die Zuständigkeit der Studentenschaft für Belange der Studierenden in Hochschule und Gesellschaft explizit festzulegen".[20] Hartnäckig, wie die grüne Gefahr nun einmal ist, wurde diese Forderung in der Koalitionsvereinbarung mit der SPD festgelegt,[21] in einem neuen Gesetzentwurf[22] umgesetzt und als Gesetz vom 1. Juli 1998 (GV. NW. S. 213) verkündet. Seit dem 16. Februar 1998 beschäftigt dieses Gesetz den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VfGH 2/98), bekam vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe bescheinigt, daß sein § 71 UG "nicht eindeutig, sondern auslegungsbedürftig"[23] ist, und drehte eine Ehrenrunde über das VG Münster und das OVG NW, um seit dem 11. Oktober 1998 wieder in Karlsruhe auf dem Prüfstand zu stehen. Wie lautete der Zwischenruf von Ingrid Fitzek (GRÜNE) während der zweiten Lesung des Gesetzes? "Jemand wie Herr Schneider würde immer klagen!"[24]

Nota bene: Nachdem die Kläger in Gießen und in Marburg ihre Grundrechte erfolgreich verteidigen, wurde auch in Hessen ein Gefälligkeitsgesetz auf den Weg gebracht und steht kurz vor seiner Verabschiedung. Die neuen "Ermächtigungsparagraphen" sollen dem AStA alles erlauben, was ihm bisher von Verfassungs wegen verboten ist. Wo sind die Kläger? Wo sitzt das staatsbürgerliche Verantwortungsbewußtsein? Warum überlassen Sie dem üblen Spektrum von juvenil-grün bis autonom-rot das Feld?

Bevor das Wort "Studentenschaft" durch den typischen AStA nach der 68er-Bewegung bis zur Peinlichkeit degradiert wurde, hatte es einmal einen guten Klang: Um 1800 waren die Begriffe "Studentenschaft" und "Burschenschaft" untrennbar miteinander verbunden, die Einigung der Studenten zu Jena am 12. Juni 1815 sollte als Vorbild für die Einigung der deutschen Nation wirken und ihre Farben schwarz-rot-gold, die seit dem Hambacher Fest von 1832 als deutsche Volksfarben gelten, sind heute in Artikel 22 GG als Bundesflagge verfassungsrechtlich geschützt! Kein deutscher Stand hat sich um die deutsche Nation und um den modernen deutschen Staat mehr Verdienste erworben als die korporierten Studenten. Allein das sollte schon ein Grund sein, dem AStA in die Parade zu fahren.

In Marburg hat der Verbindungsstudent Eike Erdel seinem AStA nicht nur das Allgemeine Politische Mandat unter Strafe stellen lassen. Eike Erdel ging noch einen Schritt weiter und erwirkte eine einstweilige Anordnung, die der Antragsgegnerin "untersagt, Erklärungen und Stellungnahmen abzugeben sowie Forderungen zu erheben, die gegen die studentischen Verbindungen und Burschenschaften gerichtet sind, soweit sie über eine weltanschaulich und politisch neutrale Sachdarstellung hinausgehen".[25] In Marburg hetzt der AStA nicht mehr gegen Korporierte!


4. "aktiv und aggressiv"

Übernehmen Sie persönlich die Verantwortung für die Verteidigung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung gegen die rechts- und verfassungswidrigen Umtriebe an den Universitäten: 30 Jahre "68" sind genug! Machen Sie Jagd auf die verfassungswidrigen Aktivitäten und erledigen Sie einen AStA nach dem anderen vor den Gerichten. Es macht Spaß, seine Grundrechte erfolgreich zu verteidigen!

Und haben Sie keine Angst, wenn der AStA ein Rudel Rechts- oder Linksanwälte gegen Sie mobilisiert. Bereits am 23. November 1993 hatte

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das Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen mir geschrieben: »Im übrigen weise ich darauf hin, daß Sie unzulässigerweise in Ihrem Briefbogen die Bezeichnung "Institut für Hochschulrecht - Zentrum der Semesterticket-Forschung" führen. Eine solche Bezeichnung ist wegen der Verwechslungsgefahr nicht erlaubt, auch nicht "ironischerweise". Das weitere werden Sie vom Rektorat der Universität Münster erfahren.« Und ein paar Tage später konnte jeder in der Lokalzeitung lesen: »In der Rechtsabteilung der Universitätsverwaltung wurde in Sachen Absender angedacht, ob die Begriffe "Institut" oder "Zentrum" ... in dieser Form verwandt werden dürfen. Da aber nie der Eindruck erweckt wird, es handele sich um ein Uni-Institut, auch nie der Begriff "Westfälische Wilhelms-Universität" auftauchte, blieb es beim lockeren sinnieren.«[26] Das war vor 5 Jahren. Seitdem ist mein Institut für Hochschulrecht noch unverwechselbarer geworden!

Aber die AStA-Anwälte wollen schließlich auch leben. Und der AStA zahlt sehr gut - mit Ihren Groschen. Es bleibt also unappetitlich!


Fußnoten:

1) "Feindesland" hat der sonst eher antimilitaristische AStA der Westfälischen Wilhelms-Universität seine Links zur Initiative Hochschulrecht e. V. und zum Institut für Hochschulrecht überschrieben (vgl. http://www.uni-muenster.de/AStA/bukopm/linkisch/linkisch.html)

2) Hochschul-Umwelt-Info (HUI) Verkehr II, Juni 1992, Seite 7

3) Vertrag vom 31. Januar 1992 (vgl. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 L 344/92)

4) § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrags vom 31. Januar 1992,
vgl. Fn. 3

5) "Berliner Morgenpost" vom 7. Oktober 1998, Seite 9

6) VG Gelsenkirchen, 4 L 1839/92 - Beschluß vom 29. Juli 1992

7) OVG NW, 15 B 3652/92 - Beschluß vom 29. September 1992
(NVwZ 1993, 1123 f. = NWVBl. 1993, 63 f. = ZUR 1993, 33 f.)

8) Vgl. SchlH OVG, 3 L 114/96 - 9 A 255/95 - Urteil vom 24. September 1997
(Insgesamt sind in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 1997 drei wortgleiche Urteile gegen die Studentenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ergangen.)

9) BVerwG, 6 C 14.98 - Schreiben vom 22. Juni 1998

10) Verf., "Was darf der AStA?", in: Deutsche Universitäts-Zeitung 15-16/1996, Seite 13; "Für große Weltpolitik hat der AStA kein Mandat", in: Die Entscheidung 10/1996, S. 42-43; "Der Bremer AStA ist kein Einzelfall", in: Freiheit der Wissenschaft 2/98, S. 12-15

11) Dietrich Schwanitz, Der Zirkel", Roman, September 1998, 448 Seiten, Eichborn, 44,- DM
(vgl. insbesondere S. 41-42)

12) HessVGH Kassel, 6 TG 2486/97 - Beschluß vom 28. August 1997
 AStA verurteilt: 10.000,- DM Ordnungsgeld

13) StA Gießen, 7 Js 24414.0/97
 "AStA Cubana"

14) OVG Bremen, 1 B 120/97 - 26. November 1997
 AStA der Universität Bremen

15) wie vor

16) "30S" Nr. 4 vom Juni 1998, Seite 8 (Schreibfehler wie im Original)

17) VG Bremen, 6 E 1930/98 - Beschluß vom 16. September 1998
 AStA verurteilt: 20.000,- DM Ordnungsgeld

18) Benno Müller-Hill, F.A.Z. vom 13. August 1996, Seite 27

19) Dietrich Schwanitz, zitiert nach "WELT am SONNTAG" vom 14. Januar 1996, Seite 24

20) Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 11/7856 vom 13. Oktober 1994, Seite 1

21) "Vereinbarung zur Zusammenarbeit in einer Regierungskoalition für die 12. Legislaturperiode des Landtags von Nordrhein-Westfalen" (1995-2000) vom 1. Juli 1995, Seite 147

22) Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache 12/1708 vom 16. Januar 1997

23) BVerfG, 1 BvR 1362/98 - Beschluß vom 11. August 1998
(wortgleich mit Beschluß vom 11. August 1998, 1 BvR 1334/98)
 "LEX SCHNEIDER"

24) Landtag Nordrhein-Westfalen, Plenarprotokoll vom 25. Juni 1997, Seite 4912 (C)
 Landtag Nordrhein-Westfalen

25) HessVGH Kassel, 8 TG 1084/98 - Beschluß vom 6. April 1998
(NJW 1998, 2923 und NVwZ 1998, 873)

26) "Münstersche Zeitung" vom 27. November 1993, Seite ms2

Wer weitere Informationen, juristische und wissenschaftliche Daten benötigt, findet diese auf den Internet-Seiten:

 http://www.institut-fuer-hochschulrecht.de


"Die Risiken des Allgemeinen Politischen Mandats sind doch heute eindrucksvoll vor Augen geführt worden. Gewalt, Eskalation, Ausländerpolitik, Terrorismus, PKK, Asylpolitik, Drogenpolitik, Päderastie, Kinderpornographie, Hureninitiative, Anti-Atom-Politik - na eben alles, womit sich der Allgemeine Studentenausschuß so beschäftigt."

Vgl. Dietrich Schwanitz, "Der Zirkel", Roman,
Verlag Eichborn, August 1998, S. 218


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